Montag, 18. Februar 2013

Social Media als Teil einer neuen Fernsehkultur

Am 11. Februar bestellte der US-Sender The CW überraschend früh neue Staffeln seiner drei Erfolgsserien “Vampire Diaries”, “Supernatural” und “Arrow”. Überraschend daran: in einem Statement führte Senderpräsident Mark Pedowitz nicht nur die stabilen Einschaltquoten als Grund für die Verlängerung an, sondern nahm auch direkten Bezug auf die Beliebtheit aller drei Serien auf weiteren Verwertungsplattformen und in sozialen Netzwerken: “[Sie] liefern nicht nur während der Ausstrahlung gute Ergebnisse, sie sind für uns auch extrem erfolgreich im digitalen und sozialen Bereich”, so Pedowitz. 


Drei Serien des US-Senders The CW wurden auch aufgrund 
ihrer sozialen Beliebtheit frühzeitig verlängert.
(Quelle: The CW)



Inzwischen kann soziale Online-Aktivität für die Verlängerung oder das Ende von Serien also mitentscheidend sein. Entsprechend schnell schlug die Bekanntgabe des Senders auf Twitter ein und produzierte weltweit zwei Trending Topics, was die Anteilnahme der Fanbasis an Neuigkeiten rund um ihre Lieblingsserien unterstreicht. Mehrere Trending Topics parallel zur Ausstrahlung einer neuen Episode sind bei den sozial beliebten Top-Serien ohnehin inzwischen Normalität. Gleichzeitig wird die Aktivität auf Twitter während der Ausstrahlung durch die Sender mit einer Vielzahl von Bemühungen unterstützt: Twitter-Partys mit den Stars, Autoren und Produzenten der Serie finden statt und die Einblendung von Hashtags am Bildschirmrand während der Episode ist in den USA bereits seit Längerem die übliche Praxis.

Unmittelbar nach der Verlängerung wandten sich die Stars und Produzenten der Serien
auf Twitter an ihre Zuschauer.

(Quelle: Twitter)

Tune In With Twitter!

Die von Twitter selbst veröffentlichte Studie “Tune In With Twitter” widmet sich der Wechselwirkung zwischen Twitter-Aktivität und Sehgewohnheiten von Fernsehzuschauern in Großbritannien. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich zur Hauptsendezeit 40 Prozent der Twitter-Aktivität mit den gezeigten Fernsehsendungen beschäftigt: ”Twitter dient in Echtzeit als ein öffentlicher Spiegel für ausgestrahlte Inhalte und Werbung”.

Die Stärke dieser Spiegelung entspricht fast nie den Ergebnissen, die man durch traditionelle Eintschaltquotenmessung gewohnt ist. In den USA ist The CW das Kleinste der fünf Networks, auch die erfolgreichsten Serien erreichen dort nie gewaltige Zuschauerzahlen. Und doch zielen die CW-Formate auf jüngere Fans und verfügen somit oft über ein Kultpotential, das online mobilisiert.


Ein Beispiel aus den USA

In der Woche vom 21. bis zum 27. Januar 2013 erreichte die auf dem Sender The CW ausgestrahlte Serie “Vampire Diaries” erstmals die Spitzenposition der Trendrr-Hitliste der sozial aktivsten Primetime-Serien. Die aktuelle Folge generierte fast 865.000 soziale Interaktionen, die zeitgleich auf Twitter, Facebook, GetGlue und Viggle stattfanden. Damit hat das Vampir-Drama, das in den USA aktuell durchschnittlich 3,5 Millionen Zuschauer erreicht, aber zugleich über 15 Millionen Facebook-Fans verfügt, quotenstärkere und sozial beliebte Hits wie “Die Simpsons” oder den Casting-Hit “American Idol” klar ausgestochen.


Eine neue Fernsehkultur

Dass sich die Sehgewohnheiten von Zuschauern in den letzten Jahren radikal verändert haben, zeigt sich nicht nur durch die parallele Aktivität auf Twitter und in den anderen sozialen Netzwerken. Die Weiterverwertung von Fernseh-Inhalten auf Online-Plattformen wie Hulu, Netflix, Lovefilm, Maxdome, Amazon oder iTunes, sowie das zeitversetzte Anschauen auf Festplatten-Rekordern kann in den sieben Tagen nach der Erstausstrahlung für einen Quotenzuwachs sorgen, der bei über 50 Prozent liegt. 



"House of Cards" mit Kevin Spacey ist die erste eigene Serie 
des Video on Demand-Anbieters Netflix.
(Quelle: Netflix)
Praktisch überflüssig lässt der US-Anbieter Netflix selbst diese modernisierte Art der Quotenmessung werden. Anfang Februar startete der Verleih- und Video on Demand-Anbieter das exklusiv für ihn produzierte Politdrama “House of Cards” und stellte mit einem Schlag sämtliche Episoden einer ganzen Staffel zum Abruf bereit. Netflix, das in den USA derzeit über 27 Millionen Abonnenten verfügt, geht damit davon aus, dass Zuschauer ihre Serien inzwischen lieber am Stück schauen, als dass sie Woche um Woche ausharren. Daneben weigert sich Neflix die genauen Abrufzahlen zu veröffentlichen. Die Verantwortlichen bestätigten zuletzt lediglich, dass “House of Cards” aktuell bei weitem die meistgesehene Serie auf Netflix sei.


Der Stand in Deutschland

In Deutschland sind solche Entwicklungen noch längst nicht angekommen. So verfügen viele bei Facebook äußerst beliebte TV-Formate noch über keine wirkungsvolle Twitter-Präsenz. Eine Ausnahme stellt hier die tägliche Scripted Reality-Serie “Berlin - Tag & Nacht” von RTL II dar (2,5 Millionen Facebook-Fans / über 46.000 Follower auf Twitter). Einblendungen von Hashtags bei Live-Ausstrahlungen sind hierzulande aber Mangelware. 



Fünf der deutschen Formate, die inzwischen auf YouTube abrufbar sind.
(Quelle: YouTube)
Vorreiter bei der Produktion von deutschen Original-Inhalten für eine Online-Verwertung ist immerhin YouTube. Nach dem Start im Oktober 2012 sind dort inzwischen 14 deutsche Formate abrufbar, zu denen der Gesundheitskanal Happy & Fit, der Erziehungsratgeber “Survival Guide For Parents” und das True Crime-Magazin “Trigger” zählen. Der Produktionsaufwand dieser Kanäle steht aber natürlich in keinem Verhältnis zu jenen fiktionalen Hochglanzproduktionen, die derzeit in den USA für die Verwertung auf Netflix, Hulu und Amazon.com entstehen.

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